|
PARS TERTIA: FRAVDES
I.
Auf unsteten Bahnen getrieben voll Eile,
Will nicht mehr verweilen gar winzige Weile,
Will nicht einmal halten, zu sehen noch Zeichen,
Denn Zeichen und Wunder ihn nicht mehr erweichen -
So sucht dieser Geist denn nicht Ruhe auf Erden,
Denn Ruhe wird nimmer - so glaubt er - ihm werden,
Nein, Unruhe treibt ihn und stürzt ihn in Pfade,
Auf Pfade, die kennen kein bißchen der Gnade,
Der Gnade der Schöpfung, die scheint ihm abhanden,
Die von ihm gelöset aus losesten Banden,
Allein sucht er Wege, allein alle Ziele,
Der Ziele ja türmen sich ihrer so viele,
Der Weg nur mit Steinen gepflastert und nichtig,
Nichts, das er geschaffen, ist jemals je wichtig -
Sein' Hirn wankt im Schlage des Herzens vergeblich,
Sein' Zellen erfiebern das Ende unsäglich,
Doch nie er erkennet, was Wirklichkeit wäre,
Wenn nicht er nur starrte in finstere Leere -
Betrug ist dies Denken, Betrug dieses Wimmern,
Betrug, in Gedanken sich selber zu zimmern.
II.
Doch nicht sucht er Wahrheit, er sucht nur zu glauben,
Doch nicht an den Schöpfer, nur Schein will er rauben
Von Reden der Alten und Sagen der Neuen,
Er will sich an keinerlei Schönem erfreuen,
Nur glauben sich selber als höchsten der Herren,
Muß selber vor allen sich selber gar zerren
Ans Licht dieser Welten und strahlen doch düstern,
Sein Schreien im Innern wird langsam ein Flüstern,
Er glaubt zu verzweifeln und ist nur getrieben,
Die Wahrheit mit eigenem Siebe zu sieben -
Er steht in dem Spiegel, er ist in dem Glase,
Trägt menschliche Augen und menschliche Nase,
Die Lippen, die Brauen, die Ohren sind eben,
Es glänzt auch das Funkeln der Augen daneben,
Er ist nur der Spiegel, er ist auch das Zeichen,
Er ist nur, was andere Mächte erreichen,
Was sie denn erstreben, was sie denn erschaffen,
Es ist ja die schlimmste all' unmenschlich Waffen,
Vorm Spiegel die Menschheit, das Morgen im Auge,
Muß sehen, ob dieses für später dann tauge.
III.
Das Morgen ist Zukunft, das Morgen ist Leben,
Das Morgen will leben und Taten auch geben,
Das Morgen uns bittet zu schützen sein' Zeiten,
Das Morgen will helfen, uns vorzubereiten -
Es ist unser Helfer, es ist unser Schicksal,
Es ist unser Plage, es ist unser Mühsal.
Das Gestern dagegen vergangen mag scheinen,
Doch morgen wir alles, was gestern, beweinen,
Das Gestern soll also ein Mahnung uns seien,
Es soll uns für Taten der Zukunft ja weihen -
Uns geben die Gabe, nach vorn ja zu schauen,
Zu sehen, wo Licht ist, wo Schatten, wo Grauen,
Es will dies verraten, doch jetzt ist in diesem,
Was vorwärts will streben, was vorwärts soll fließen,
Der Wille verschwunden zu folgen den Bahnen,
Zu hören auf jene, die wollen uns mahnen.
Das Spiel soll beginnen! So rufen die Boten,
Die reden, sie würden die Zukunft ausloten,
Doch schreiben sie selber mit Blut in der Feder,
Und worauf sie schreiben, ist menschliches Leder.
IV.
Sie reden von Zukunft und meinen nur Kriege,
Sie reden von Ehre und meinen nur Siege,
Nicht Siege der Menschheit, nicht Siege des Wahren,
Nein, Siege, um nur alles das aufzubahren
Im glänzenden Sarge, was fremd sich erweiset,
Was stets mit dem Guten im Bunde ja kreiset,
Was stets sucht nach Glauben und Hoffnung und Liebe,
Was stets tut, daß alle Gewalt ja zerstiebe -
Doch dieses ist jenen nur Feuer am Wege,
Sie werden es löschen, ja, eilen gar rege,
Doch dies ist das Feuer der Wahrheit im Herzen,
Doch dies ist das Feuer, das schafft ihnen Schmerzen,
Das Feuer, das glüht in den ewigen Gluten,
Das Feuer, das zieht durch die ewigen Fluten -
Ein Feuer des Lichtes, nicht Feuer der Schatten,
Es scheint ihnen Taten und Zeit zu gestatten,
Doch einmal entzündet, wird nie es vergehen,
Es wird die verbrennen, die stetig nur säen
Die Zwietracht und Lüge in menschlich Gedanken,
Der eig'ne Betrug wird sie bringen ins Wanken.
V.
Es kämpfen nicht Menschen, es kämpfen nicht Staaten,
Es kämpfen nicht Worte, es kämpfen nicht Taten,
Die Orte sind anders, die Zeiten verschieden,
Die Gründe sich gleichen, die Taten ermüden.
Die Menschen dort stehen und müssen sich finden,
Sie müssen einst Stellung für sich ja verkünden,
Sie müssen ja lernen, sie sollen so sehen,
Die Hülle wird schließlich am Ende vergehen.
Ein Schatten sie aber, ein schwächliche Maske,
Daß jeder in ihr langsam vorwärts sich taste.
Es werden dann leben, die suchen und streben,
Die suchen und streben nach ewigem Leben,
Nicht Macht, nicht Verheißung, nicht Worte, nicht Altes,
Nichts schon vor den Zeiten und nichts längst Verhalltes,
Nur zählen Momente, die sind uns jetzt richtig,
Die sind uns gar wirklich und heute nicht nichtig,
Nicht Morgen, nicht Gestern, ja, sind nur das Heute,
Sind alle des Lebens erquickliche Beute -
Wir tragen Momente am Ende zusammen
Und werden dann wissen, woher diese stammen.
VI.
Wo Licht ist, kommt Schatten, wo Wahrheit, die Lüge,
Doch Wahrheit ist letztlich die einzige Wiege,
Die hegt ja die Welten und pflegt, was geschaffen,
Sie hütet und hilft auch, sich noch aufzuraffen,
Zu treiben, zu fordern, zu fragen sich ständig,
Zu bleiben nicht stehen, doch drehen sich wendig
Im Kreise ums Zentrum, das gibt uns ja Stärke,
Die Stärke für unsere weltlichen Werke,
Die Stärke, zu lieben, zu schaffen, zu bauen,
Die Stärke, zu geben, zu seh'n, zu vertrauen,
Die Stärke, zu nehmen das Wort als Verheißung,
Die Stärke, zu kennen die wichtigste Weisung,
Die Stärke, zu glauben, zu wissen, zu schauen,
Die Stärke, die Hülle des Schweigens zu tauen,
Die Stärke, zu reden, zu handeln, zu weinen,
Die Stärke, zu forschen, zu denken, zu meinen,
Die Stärke, zu träumen, zu hoffen, zu lachen,
Die Stärke, zu ruhen, zu warten, zu wachen,
Erst dann sind wir Menschen, dann werden wir schauen,
Ja, schauen den Herren - wir müssen vertrauen.
|
|