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1. Einleitung1.1. Zur FragestellungDie Frage nach dem Römischen Reich im Mittelalter führt ziemlich schnell zu teilweise widersprüchlichen Aussagen. Nicht nur stehen durch die Unterscheidung von Westen und Osten zwei Möglichkeiten offen -- selbst diese beiden haben mit dem eigentlichen Römischen Reich oft nur dem Namen nach etwas zu tun. Der griechisch-römische Romäerstaat mit Byzanz / Konstantinopel als Hauptstadt existierte als direkter Erbe und Nachfolger eines Weltreiches noch bis zum Ende des Mittelalters, aber der westliche römische Staat, der Rest der res publica Romana, ist im Jahre 476 gefallen, doch seine Saat ist aufgegangen. Der Romanisierungsprozeß in Westeuropa sowie die Missionierung durch den christlichen Glauben ließen die Idee der Mutter Rom weiterleben in Geist und Fragmenten. Jetzt sollten die Völker, welche teils recht brutal von den Römern "befriedet" und dem Reich angegliedert worden sind, Rom am Leben erhalten[1]. Jetzt sollte das einst so verhaßte Christentum, diese viel bekämpfte Lehre, welche die Armen und Schwachen den Reichen und Starken vorzieht und rücksichtslos alle Fassaden und Masken der römischen Größe angreifen sollte, römische Lebensart sein. Jetzt sollten die Kinder und Feinde Roms, die wohl unter der drückenden Vorherrschaft des Staates nicht selten gelitten haben mögen, diese Lebensweise sich zu Eigen machen und sich als Römer bezeichnen wollen, wo sie doch sonst so sehr ihre Eigenständigkeit betont haben wollten. Germanen, Gallier, Franken, Helvetier, Goten, Lombarden und alle kleineren und größeren Stämme wachsen in einem Jahrhunderte dauernden Prozeß zusammen zu europäischen Nationen, vielleicht einmal zu der europäischen Nation. Dies geschah zunächst unter den Legionsadlern Roms, dann durch die Vergabe des römischen Bürgerrechtes an alle freien Einwohner[2]. Nach dem Fall Westroms jedoch begann wohl kaum eine derart düstere, finstere Epoche, wie sie oft beschrieben worden war, sondern es entstanden neue Herrschaftsgebilde auf Grundlage des alten[3]. Rom ist wiedererstanden, nicht im griechischen Byzanz, das sich fast krampfhaft an seinem Gebiet und seiner Hegemonie festhalten wollte und doch immer mehr in sich zusammengefallen ist. Rom erstand wieder in Westeuropa. Grundlage dafür waren die ehemaligen Leistungen der Caesaren und die jetzige Präsenz der christlichen Kirche. 1.2. Quellen und LiteraturDie Verwendung der Chroniken des Bischofs Thietmar von Magdeburg und Bischofs Otto von Freising geschah im Hinblick auf die Bezeichnung des Kaisertums und damit verbundene Begrifflichkeiten. Ottos Chronik liefert eine sehr ausführliche heilsgeschichtliche Ausdeutung der Ereignisse und bezieht sich auf das Buch Daniel (siehe 5.1.). In der Literatur findet sich das Thema selbst meist nur in Ausschnitten -- so müssen Werke über Antike und Mittelalter getrennt stehen. Für die Grundlagen der frühen Zeit Roms ist Mommsens "Römische Geschichte" nach wie vor unentbehrlich; sie wird durch Karl Christ ("Krise und Untergang der römischen Republik" / "Geschichte der römischen Kaiserzeit") in modernem Stil durch die Zeit nach Caesar ergänzt. Für das Mittelalter ist Riché’s "Karolinger" grundlegend gewesen für die Zeit zwischen Rom und Sacrum Imperium, die anderen verwendeten Werke waren für die Betrachtung einzelner Abschnitte (Ottonen, Kirche, Gesellschaft u.a.) wesentlich. |
2. Der antike Staat2.1. Die res publicaWas ist Rom? Zunächst die Stadt selbst, doch von ihr ausgehend entstand ein Weltreich, die res publica Romana, das Imperium Romanum, oder offiziell Senatus Populusque Romanus. Im Folgenden soll in Form einer kurzen Skizze die Entwicklung des römischen Reiches bis zum Mittelalter nachgezeichnet werden, um die Strukturen vorzustellen, die der späteren Entwicklung vorangegangen waren und diese beeinflußt haben mögen. Das Gebiet der Stadt Rom hatte in den Jahrhunderten seit seiner Gründung seinen Einflußbereich über das ganze Mittelmeergebiet heraus ausgedehnt[4]. Ursprünglich eine unter mehreren latinischen Stadtgemeinden, ist Rom unter Aufgabe des alten Königtums zum führenden Stadtstaat auf der italischen Halbinsel herangewachsen. Seit Einsetzung der Republik wird es regiert von zwei sich jährlich abwechselnden, gewählten consules, welche in Kollegialität die Staatsgeschäfte leiten und das Heer führen und in das System eines Magistrats eingebunden sind[5]. Meistens entstammen sie der patrizisch-senatorischen Nobilität, erst später werden Plebeier (ursprünglich Nichtbürger) zu diesem Amt zugelassen. Der Senat, ursprünglich zur Königszeit beratendes, doch jetzt immer mehr selbst regierendes Organ, Sammelbecken der nobilen Oberschicht, versucht, neue Schichten wie die Geldaristokratie[6] von der Verwaltung auszuschließen. Die römische Idee dieser Zeit kann beschrieben werden als ein Ideal von Weltherrschaft, Griechentum, Rechtsgleichheit und pax Romana. Nach Erfolgen im zweiten Punischen Krieg und der endgültigen Inbesitznahme Makedoniens steht die res publica libera auf dem Höhepunkt ihrer Macht, wird aber ab ca. 133 v. Chr. von Reformansätzen, Aufständen und Bürgerkriegen zerrüttet[7], die in der Alleinherrschaft Caesars münden. Nach dessen Ermordung durch eine senatorische Verschwörung kann der Senat die oligarchische Staatsform nicht wiederherstellen. Während dieser Zeit zerstört sich der römische Staat fast von selbst, und es ist nur der "Vorarbeit" der Väter zu verdanken, daß die Republik nicht durch äußere Feinde vernichtet wird. Macht und Einfluß sind zentrale Themen, der Militärdienst der normale Beginn jeder politischen Karriere. Römisches Ideal ist Stärke, erfolgreichen Feldherren stehen imperator-Titel und Triumphzug sowie Versorgung ihrer Soldaten zu. Die Zeit, als beide consules, die eigentlich zivilen Verwalter, das Heer anführten, ist vorbei. Ehrgeizige, aufstrebende Feldherren wie Sulla, Pompeius Magnus und Caesar sowie der Senat sind in wechselnden Koalitionen um die Macht bemüht. Hier ist nichts mehr zu spüren von einstigen griechischen Idealen, der Senat hat die Kontrolle verloren. Der Mord an Caesar ist gleichzeitig die Kapitulation der Konspiratoren, die keinen anderen Ausweg mehr sehen konnten. 2.2. Prinzipat und DominatCaesars Erbe C. Iulius Caesar Octavianus übernimmt dessen politisches Vermächtnis und begründet als Augustus, princeps, imperator und pontifex maximus in einer einzigartigen Ämterkonzentration das Amt des römischen Imperators in Abgrenzung zum verpönten regnum, dem Königreich. Dies allerdings geschieht nicht ohne Proskriptionen und einen weiteren blutigen Bürgerkrieg, in dem zunächst die Caesarmörder, dann der einstige Alliierte Marcus Antonius geschlagen werden. Von der clementia Caesaris, die sein Vorbild propagierte, nimmt er Abstand. Die Position dieses princeps stützt sich auf viele einzelne Faktoren und ist nicht direkt als fest definierte monarchische Position zu erklären. Vielmehr setzt sie sich zusammen aus tribunicia potestas[8], imperium proconsulare[9], imperium consulare[10], der Stellung als pontifex maximus sowie censorische und gelegentlich auch consulare Gewalt. Der princeps regiert mit dem Senat, überragt diesen aber durch seine Gewaltenkonzentration. Erst im Prinzipat erfolgt jetzt eine gerechte Behandlung der Provinzen und eine konsequente Romanisierung des Westens, wie sie von Caesar in Gallien begonnen worden war. Nach den Iulisch-Claudischen Caesaren folgt das Krisenjahr 68/69 mit vier Kaisern und erneuten Bürgerkriegen. Doch die neue Ordnung ist schon zu sehr gefestigt, und im Jahr 69 n.Chr. fixiert Kaiser Vespasian die Vollmachten des princeps per Gesetz[11]. Die flavische Dynastie mit Vespasian, Titus und Domitian festigt den Prinzipat und stärkt das Reich, allerdings betont Domitian seine Macht dem Senat gegenüber so sehr, daß er 96 ermordet wird. Von nun an wird der folgende princeps vom Vorgänger adoptiert (Zeit der Adoptivkaiser). Unter Traianus und Hadrianus erreicht das Reich seine größte Ausdehnung, es erfolgt die Eingliederung von Provinzen wie Dacia, Armenia, Assyria und Mesopotamia. Doch so groß das Reich sein mag, bleibt die Herrschaft nie wirklich stabil, können die Grenzen auf Dauer nicht gehalten werden. Der ständige Konflikt mit Parthern und Persern und die andauernde Verteidigung gegen den Norden schwächen das Imperium, nach der Ermordung des Commodus (192) folgt ein erneutes Vierkaiserjahr. Die Strukturen werden noch einmal durch die Severer gefestigt und bestärkt. Jedoch immer mehr erweist sich die Konstruktion des Prinzipats als zu künstlich, so daß unter Diocletian (284-305) und Konstantin (324-337) der Staat zur echten Monarchie (bzw. Tetrarchie) ausgebaut wird. Trotz aller Bemühungen um eine Umstrukturierung und so sehr eine Neugliederung der Provinzen und eine Neuregelung der Staatsspitze durch absolutistische Formen auch erfolgt -- das Reich wird 395 nach dem Tode des Theodosius geteilt. 2.3. Eine römische IdeeDas republikanische Rom führte seine Gesellschaftsstruktur auf die Anfangszeit der Stadt zurück -- aus dem Ältestenrat der alten, ansässigen Familien entwickelte sich der Senat. Die darin vertretenen Familien bildeten den Adel, die patres. Erst langwierige Prozesse führten zur Akzeptanz und Eingliederung der Plebeier, doch mit dem Wachsen des Reiches wurde schließlich auch die plebs wichtiger. Militärische Aktionen dienten zunächst dem Zurückschlagen von Aggressoren, führten aber bald zu Dominanz im Latinischen Städtebund. Die Expansion ging zunächst schrittweise voran, die Punischen Kriege waren die Bewährungsprobe, die Rom mehr durch Glück gewinnen konnte. Doch seit jener Zeit war Rom Weltmacht, konnte im Mittelmeerraum bestimmen -- mehr auf Grund der Schwäche der anderen. Diese Situation sollte auch die Kaiserzeit bestimmen -- ein starkes Rom, das Dominanz über alles Gebiet westlich des persisch-parthischen Raumes anstrebte, ein rachsüchtiges und blutiges Rom, dessen Opfer Karthago, Korinth (beide 146 v. Chr. zerstört) und Numantia (133 v. Chr.) hießen, und das seine Herrschaft seit Caesar durch gezielte Romanisierung im Westen festigte. Kaiserkult, Militärdienst, Aussicht auf das Bürgerrecht, Aufstiegschancen in der Lokal- und Provinzialverwaltung und das Gefühl, Rom sei tatsächlich ein ewiges Reich wirkten dazu fördernd. Im Osten dagegen waren alle römischen Ordnungsversuche nur Provisorien: Kleinasien war das Experimentierfeld verschiedener Organisatoren (Marius, Sulla, Pompeius, M. Antonius), Ägypten hatte eine Sonderstellung[12], Iudaea war auch kein einfaches Gebiet, und das mesopotamisch-armenische Gebiet blieb stets von Römern und Parthern/Persern umkämpft. Der Orient mit seinen gewachsenen, an Königsherrschaft gewohnten Formen mit Resten griechisch-makedonischer Verwaltung konnte nur deshalb kontrolliert werden, weil er in sich zerstritten war; aber er war sozusagen von Anfang an eine andere Welt als Westeuropa, das von Rom geformt werden konnte. Der römische Anspruch der Weltherrschaft konnte sich stützen auf die -- sieht man von Piraten einmal ab -- unumschränkte Herrschaft über das Mittelmeer und die militärische Überlegenheit durch Masse. Doch stets zeigten Kriege und Aufstände den wenig stabilen Zustand römischer Herrschaft[13] -- das große Rom war stets in Gefahr, unterzugehen. Der römische Staat war eine Verwaltung, die einer vorhandenen Bevölkerung aufgesetzt war und auf die Loyalität der Provinzen und Diözesen vertrauen mußte, notfalls mit Legionen, und Modernisierungen im Heerwesen kamen nur schleppend, meistens nach Katastrophen. |
3. Geteiltes Reich3.1. Erben WestromsSchon unter dem 2. Triumvirat[14] gab es so etwas wie eine Teilung des Reiches in Ost und West an der lateinisch-griechischen Sprachgrenze. Der lateinische Westen und der griechische Osten, eine Trennung, die immer sichtbarer werden mußte, je mehr sich Rom auf die innere Stärkung des Reiches konzentrierte, je mehr die Provinzen ein Eigenleben entfalteten, um sich zu ernähren. Die Aufteilung des Reiches unter die Söhne des Theodosius aber folgt nicht römischer, sondern orientalischer Methode und ist wohl als Zugeständnis an die Verwaltung zu verstehen. Doch der Verteidigung gegen Norden und Süden war der westliche Reichsteil nicht mehr gewachsen, seine Existenz wurde beendet mit der Absetzung des Romulus Augustulus durch Odowaker im Jahre 476. Bisher war Rom ein Reich gewesen, das -- so viele Probleme es auch hatte -- real existierte und durchaus auch seine stabilen Phasen hatte. Der Wandel zum Mittelalter aber war eher eine Fortsetzung der Geschichte, kein plötzlicher und spontaner Bruch, denn das römische Reich ist nicht gefallen durch die Einfälle der vor den Hunnen fliehenden Völker, es ist nicht zerstört worden von Germanen, Galliern oder Berbern, das Reich hat sich selber zu Grunde gerichtet, denn kein solider Staat kann derartig zusammenbrechen; Rom war nicht auf Dauer stabil, es lebte von der Instabilität der anderen -- es ist in der Entwicklung stehengeblieben, es fehlten Innovationen, man hing an veralteten Vorstellungen und Strukturen. Doch noch ein anderer Faktor war bereits hinzugetreten, einer, der die neue Zeitepoche einleitete. 3.2. Das ChristentumDas Christentum, lange und blutig, aber vergeblich bekämpft, 337 vom sterbenden Konstantin durch dessen Taufe quasi legitimiert, wurde 391 Staatsreligion[15] unter Theodosius I. Mit christlichem Einfluß begann im Wesentlichen das Mittelalter, es erfolgte ein Umbruch sowohl in Politik als auch Privatleben; römische Kultur mischte sich mit christlich-jüdischer. Könige wurden nach biblischem Vorbild gesalbt[16], Klöster wurden zu wissenschaftlichen und kulturellen Zentren, Bistümer zu wichtigen Teilen der neuen und alten Staaten. Das Handeln der Herrscher wurde zumindest theoretisch von heilsgeschichtlichen Motiven geleitet. Der christliche Glaube, erst einmal errichtet, wurde wie die lateinische Verwaltungs-, Bildungs- und Kirchensprache zur verbindenden Gemeinsamkeit des westlichen Europas[17]. |
4. Ein neues Rom4.1. Neue römische KaiserReges und duces verwalten das Land. Die Merowingerdynastie, nach Chlodwigs Aufstieg und Taufe mächtig geworden, verliert jetzt an Macht. Ihre austrischen Hausmeier Karl Martell und Pippin d.J. gehen daran, konsequent zu ihrer Entmachtung beizutragen, und es gilt: "Es ist besser, den als König zu bezeichnen, der die Macht hat, statt den, der ohne königliche Macht ist"[18] (rex a regendo[19]). Pippin wird König, sein Sohn Karl übernimmt das Erbe und einigt das jetzt fränkische Reich, wird im Jahr 800 zum "Imperator gubernans Romanum" durch Papst Leo III. gekrönt[20]. Er nennt sich "Herr des auserwählten Volkes" und "rex et sacerdos"[21] -- weltlicher und geistlicher Anspruch verschmelzen. Rex ist nicht mehr der verhaßte römische Titel, sondern bedeutet die Weiterführung des Königtums des David. Doch es existiert nicht nur biblischer Bezug -- der neue Kaiser empfängt die Romani corona imperii[22]. Doch was heißt Kaisertum? Kaisertum heißt imperium -- militärische Befehlsgewalt[23]. Römische Begriffe werden hier auf neue Situationen angewandt -- doch ist die Situation wirklich so verschieden? Zwar hatte Iustinian (527-565) Italien und andere westliche Gebiete für kurze Zeit wiedergewonnen, doch existierte noch immer die "theoretische" Teilung des Reiches -- die Erhebung Karls d. Gr. zum Kaiser bedeutete also nur die Wiedererrichtung des westlichen Reichsteils und die Übertragung der römischen Herrschaft auf die Franken[24]. Der Protest des Ostreichs bezeugt also, daß dieses offenbar noch immer einen Gesamtherrschaftsanspruch aufrechterhalten wollte. Grundsätzlich war die Verfassung des neuen fränkischen, später deutschen Kaiserreichs eine andere als die des Prinzipats und Dominats. Herrschaft stützte sich auf Bischöfe, Lehensfürsten und die Präsenz des Herrschenden im Lande, bedeutete also Reiseherrschaft. Diese Art der Machtausübung mag der römischen gegenüber veraltet erscheinen, doch sie war offenbar wirksam: Die römische Infrastruktur war schließlich noch vorhanden, römische Verwaltung nicht vergessen. Doch gerade diese Verwaltung hatte sich als unfähig erwiesen, sich der neuen Situation gegenüber durchzusetzen. Genauso war aber auch das byzantinische Herrschaftssystem nicht eigentlich römisch; in beiden Reichen steckte mehr Anspruch als Wirklichkeit. 4.2. Papst und KaiserWährend das antike Reich sich vorwiegend auf "weltliche" Grundlagen stellt (auch, wenn es Staatskulte und Kaiserkult gibt), kann die mittelalterliche Inkarnation Roms nur auf der Einheit im christlichen Glauben und Anerkennung des Papstes basieren. Papst Zacharias gestattet dem fränkischen Hausmeier Pippin (751-768) die Entmachtung der Merowinger, Bonifatius salbt ihn zum König, später noch einmal Papst Stefan II. Pippin schenkt daraufhin italische Gebiete dem Papst[25], woraus unter Karl d.Gr., 800 zum Kaiser gekrönt, der Kirchenstaat hervorgeht. Jeder weitere Kaiser wird bis zu Karl V. (1356) daraufhin in Rom gemacht, der deutsche König ist ab Otto I. in der Regel Kaiser oder Kaiseranwärter. Der römische Papst konnte sich -- im Gegensatz zu anderen Bischöfen und Patriarchen -- auf den Apostel Petrus beziehen und leitete daraus den Führungsanspruch des römischen Bischofs über die katholische Kirche ab[26]. Jedoch war der Papst nicht einfach eine christliche Variante des römischen pontifex maximus; diese Position hatte auch der Imperator im Laufe der Geschichte gelegentlich inne[27]. Mit dem Christentum kam die Trennung von kirchlicher und staatlicher Gewalt, was jedoch von Seite des Staates immer wieder bekämpft und umgangen und ausgenutzt worden war[28]; oder aber kirchlicher Gewalt wollte staatliche ersetzen. Papst und Kirche hatten durchaus wesentliche Bedeutung für den neuen Staat -- durch die Salbung oder Krönung durch die Kirche wurde die weltliche Herrschaft vor Gott legitimiert. Auch folgten der Missionierung die Errichtung oder Ausdehnung von Bistümern und neuen Staaten, was besonders in Osteuropa in Konkurrenz zur griechischen Kirche geschah. Papst- und Kaisertum erlebten beide ihre Höhen und Tiefen; schwache Päpste nutzten dem Kaiser, starke jedoch wie Gregor I. (590-604) und Gregor VII. (1073-85) kämpfen gegen die Dominanz der weltlichen Herrscher. Der römische Kaiser des Sacrum Imperium ist nur ein König unter anderen, er hat außerhalb des Landes, in dem er auch König ist, kaum Einfluß, eher eine Art Ehrenvorrang, was sich vielleicht bei den Kreuzzügen zeigt. Im Gegensatz dazu ist die Position des byzantinischen basileus exklusiver, jedes Königtum in seinem Machtbereich ist für ihn Bedrohung. |
5. "Renovatio imperii Romanorum"[29]5.1. Vier ReicheDer Träume des Nebukadnezzar[30] und des Daniel[31] aus dem Prophetenbuch Daniel sind wie viele Episoden im Alten Testament in erster Hinsicht keine geschichtliche Aussage, keine genaue Ausdeutung und Vorausdeutung von Ereignissen, sondern theologisches Lehrstück, ein Gleichnis: Alles Weltliche, so mächtig und groß es sein mag, endet mit und durch Anbruch der Herrschaft Christi. Doch ist hier nicht der Text allein wichtig, sondern die Wirkung auf die Rezipienten seiner Zeit. Das Römische Reich wird wegen dieses Traumes interpretiert als letztes bestehendes der vier großen Weltreiche (Babylon, Medien-Persien, Alexanderreich, Rom), das aber durch Gott selbst zerstört werden wird. Otto von Freising sieht darin die Wirkung der Kirche[32], weil sie nicht der weltlichen Herrschaft dient und sie nicht ehrt[33], und so wie über Babylon[34] wird auch über Rom Gericht gehalten werden[35], wie über die ganze Welt[36]. 5.2. Otto III. und seine RomideeWenn im Zusammenhang mit Otto III. von seiner Politik der Renovatio die Rede ist, so stellt sich die Frage, was damit gemeint sein kann und welche Gründe dahinter stehen mögen. Wieviel genau erneuert werden sollte, kann man auf Grund der mangelhaften Quellenlage nur mutmaßen, vor allem aber deshalb, weil der Imperator nicht mehr zur Ausführung seiner Pläne gekommen ist. Zunächst bedeutet der Titel: Die Wiederherstellung der Herrschaft bzw. des Reiches der Römer. Dies kann zunächst einmal die Befriedung der Stadt selbst meinen[37], auf andere Floskeln verweisen[38], oder allgemein auf die Stärkung des Reiches[39]. Denn das sächsische war ja das römische Reich. 5.3. Realität und Fiktion"Weltliche" Kaiser und Erneuerer des römischen Reiches greifen auf die Idee des Weltreiches zurück, jetzt verbunden mit dem Gedanken an die Schaffung eines sacrum imperium. Das Römische Reich wird als letztes bestehendes der vier großen Weltreiche "künstlich verlängert", die römische Herrschaft auf andere Völker übertragen[40]; wobei aber auch die Rückbesinnung auf Rom einen durchaus nicht zu verkennenden legitimierenden Effekt haben kann. So nehmen sowohl Napoleon, Wilhelm I. und Ivan III. den Titel und Anspruch eines Kaisers an, der aber in der Neuzeit nicht mehr den starken päpstlichen Charakter haben kann. Die Besinnung auf Rom im Mittelalter aber schuf eine Gesellschaft, die sich in Gemeinschaft mit anderen christlichen Völkern verstand, es war aber später mehr eine Idee als politische Realität. Das "römische Reich" im Mittelalter war ein Gebilde, das sich aus einem unklar definierten Herrschaftsanspruch definierte, sich teilweise auf das antike Rom zurückführte, teilweise sich als kirchliche Gemeinschaft verstand. Der geistliche Anspruch war dabei wohl eher tragend, denn wenn auch ein König oder Kaiser herrschen wollte, so geschah dies in jener Zeit nicht ohne Bezug auf die Kirche und Christus. "Der wahre Kaiser ist der Papst"[41], und Rom ist dessen Stadt -- nicht mehr die Stadt eines Augustus oder Caesar, sondern die des Heiligen Petrus. Und in diesem Sinne war dieses Reich wirklich ein römisches. |
6. Anhang6.1. MonographienAntike:
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